PR mit Knopfaugen

In Wien gibt es seit mehreren Jahren eine kritische Kampagne gegen das Markenzeichen der Julius Meinl AG. Die Initiative „Mein Julius“ hat das Logo der Traditionsfirma in ein Protestzeichen umgewandelt und damit adbusting betrieben:

Mein Julius„Mein Julius hat keine Lust mehr auf ein dienstbotenartig gesenktes Haupt. Er geht, wann er will. Und wohin er will. Wenn er nicht will, bleibt er. Sein Leben ist kein Schicksal, und er nimmt es selbst in die Hand. Wie die Bilder, die in der Öffentlichkeit von ihm existieren. Rassistische Klischees haben im öffentlichen Raum nichts verloren, egal ob es dabei um verhetzende Beschmierungen auf Hauswänden oder um das „traditionsreiche“ Logo einer Kolonialwarenhandlung geht.“ (Quelle)


Der Dokumentarfilm Here to Stay – Rassismus in Österreich von Markus Wailand (ORF-Ausstrahlung auf Youtube) beschäftigt sich unter anderem genau mit dieser Kampagne. Ob rassistische Sprüche an einer Wand, nach der Hautfarbe urteilende Türsteher oder plakative Werbebilder – Rassismen liegt oft eine extrem oberflächliche visuelle Verurteilung zu Grunde. ‚Auf den ersten Blick‘ wird das Aussehen eines Menschen erfasst, bewertet und beurteilt. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf fiel mir eine Werbetafel in Berlin auf…

Das Bild des kleinen Jungen wurde sicherlich nicht ohne Grund zum Teil der PR-Strategie der Firma. Das sind meine Gedanken zu dem Bild: der karge Hintergrund soll im Kontext der allgemeinen Stigmatisierung Afrikas als Problemkontinent Mitleid erzeugen und dem Kunden dieser Firma das gute Gefühl geben, beim Anmieten einer Wohnung dieser Firma, etwas pauschal Gutes und Wichtiges zu tun. Das sympathische, fotogene Lächeln des Jungen bestätigt diese Hoffnung und lässt jeden Kunden zu einem Teil einer philanthropischen Unternehmung werden.

Das Foto des Jungen steht nun im Schaufenster eines Unternehmens und ist Teil der Corporate Identity des Immobilienunternehmens, die bei den vorbeigehenden Passanten einen, im Sinne der PR-Strategie, positiven Eindruck hinterlassen soll. So funktionierte es zumindest bei mir. Ich sah den Jungen, erinnerte mich an die Julius Meindl-Kritik und wollte wissen, für was hier philantropisch-unternehmerisch-emotional geworben wird. Es geht um teure Wohnungen im Zentrum Berlins (Preisniveau siehe Bilder). Ich würde gern wissen, mit welchen Überlegungen die PR-Abteilung der Firma auf dieses plakative und klischeehafte Werbekonzept gekommen ist, das schließlich mit einem oberflächlichen Exotismus versucht Wohnungen zu vermieten und dabei das afrikanische Opferstigma wiederholt. Was sagen diese beiden Beispiele über unsere Werbe-Bildkultur? Überschreitet die Aufmerksamkeitsökonomie ethisch-moralische Grenzen? Mit welchen Bildern von Europa wird in Afrika geworben?

Ich habe dazu ein paar Seiten gefunden:

Auf der Seite des Departement für Wirtschaft und Politik der Uni Hamburg hat Wulf D. Hund zu Werbung Whiteness Rassismus einige Beispiele aus der Werbung analysiert.

Auf freiburg-postkolonial.de gibt es einen Artikel von Adibeli Nduka-Agwu und Daniel Bendix : Die weiße Darstellung ‘Afrikas’ in der deutschen Öffentlichkeit. Wie ein Kontinent genormt, verformt und verdunkelt wird.

  1. Vielleicht könnte man die Protestaktion zur Meinl AG mal im Wikipedia-Artikel ergänzen. Dort findet sich unter dem Punkt „Logo“ keinerlei Kritik.

  2. Hallo Amina,
    ich habe gerade den Wikipedia-Artikel zur Julius Meinl AG im Abschnitt Logo ergänzt (sollte demnächst freigeschaltet werden):

    „Die Initiative “Mein Julius” hat das Logo der Traditionsfirma in ein Protestzeichen umgewandelt, um gegen rassistische Klischees sowie gegen Fehlinterpretationen von Afrika und der Kolonialzeit zu demonstrieren.[2]“ (siehe Wikipedia-Artikel)

    besten Dank für den Hinweis,
    Friedemann

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