Der (öffentliche) Intellektualismus ist tot! Warum? Die Postmoderne hat ihn zerstört. Seitdem es für alle Fragen scheinbar unzählige Antworten gibt und alle irgendwie stimmen glauben wir niemanden mehr der Universalien predigt. Doch halt! Es gibt ja doch noch welche. Wer sind eigentlich die vielen Experten in den Nachrichten? Ihre Namen werden zumeist von irgendeinenem-zum-teil-recht-irrsinnigen Expertenstatus begleitet: da gibt es Experten für Schneekatastrophen oder Tiernahrung. Alle haben sie etwas zu sagen und ihnen wird auch das Wort erteilt. Sie kommentieren Nachrichten, geben scheinbar wichtige Hintergrundinformationen doch wiederholen zumeist genau die Aussagen die sowieso schon jeder kennt. Nein, dass sind nicht die neuen Intellektuellen. Vielmehr sind sie ein Beispiel warum der in Deutschland so lang gepflegt Intellektualismus zu Grabe gelegt wurde. In einem Artikel des holländischen Wissenschafts- und Technikforscher Wiebe Bijker wird also richtigerweise nach neuen Intellektuellen gefragt. Bijker sieht diese Rolle innerhalb seiner Disziplin und kann auch ein durchaus nachvollziehbares Argument machen. Die Science and Technology Studies (STS) haben sich in den letzten 20 Jahren zu einer Disziplin entwickelt, die vor allem immer wieder Wissen produziert, dass als Beitrag in und für öffentliche Debatten gesehen werden kann. Bijker nennt das den STS-kiss:
the STS reseracher in the role of the prince, kissing the sleeping beauty (i.e., the scientist, engineer, or other actor beeing studied) awake with a detailed study of the actors behavior (Bijker 2003: 446).
Mit der Idee Wissenschaft und Technik auf ihre sozialen, politischen und kulturellen Einschreibungen zu überprüfen entstehen wichtige Untersuchungen über die Rolle und vor allem über die Auswirkungen von Forschungsprogrammen und Wahrheitskonstituierung in Politik und Öffentlichkeit. Leider vergisst Bijker dabei jedoch (obwohl er im Ansatz auf dieses Problem hinweist) das auch die STSer nicht den Platz der öffentlicher Intellektuellen einnehmen können. Sie sind genauso Sklave der postmodernen Kritik wie sie Produkt derselben sind. Eine Loslösung des Wissens von seiner Relativiertheit ist trotz verschiedener Versuche bisher nicht gelungen.
Wer also kann für einen neuen Intellektualismus sorgen? Freilich muss der neue Intellektuelle, ähnlich wie die STS, eine Meta-Ebene erschaffen von der er auf die Welt blicken kann. Dabei wird er scharfer Beobachter und Kritiker zugleich. Er sieht Dinge, die in der Unübersichtlichkeit der unterschiedlichen Bereiche verborgen bleiben und hat damit die Möglichkeit neue Verbindungen zu zeigen und andere, scheinbar existierende, verschwinden zu lassen. Der neue Intellektuelle muss aber auch werten, urteilen und handeln. Anders als das symmetrische Programm der STS, sind die neuen Intellektuellen gestaltend und zerstörerisch. Sie entwickeln eine Stimme die die öffentliche Ordnung leitet und stört. Aus diesem Grund wird hier plädiert, dass der neue Intellektualismus aus der Blogger-Gemeinschaft kommt. Vielleicht liegt die Kritik nahe, dass ausgerechnet in einem Blog angekündigt wird, dass die neuen öffentlichen Intellektuellen Blogger sind. Und trotzdem sollte dies den hier gebrachten Argumenten nicht im Wege stehen. Nachzulesen ist dies im Übrigen auch in dem Buch von Tobias Moorstedt. Bereits kurz nach der Wahl Barack Obama’s hat er einen Text vorgelegt, in dem er zeigt welchen Einfluss Blogger auf das Meinungsbild der Wähler in den USA hatten. Und es würden sich noch viele weitere Beispiele finden, in denen die Blogosphäre oft eine detaillierte Analyse und Meinungsbild einer Sache wiedergeben. Ein zusätzlicher Hinweis für ein solches Argument könnte sein, dass das Medium in dem sich solch ein Wissen bewegt von vornherein keine einzelne Argumentation zulässt. Ähnlich schnell wie es die Postmoderne will, wird in Blogs Wissen immer wieder überprüft, verworfen und entsteht neu.
Leseempfehlung:
Bijker, Wiebe E. 2003. The Need for Public Intellectuals: A Space for STS. Science, Technology, & Human Values 28 (4):443-450.
Moorstedt, Tobias. 2008. Jeffersons Erben. Wie die digitalen Medien die Politik verändern. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Pavel
„Eine Loslösung des Wissens von seiner Relativiertheit ist trotz verschiedener Versuche bisher nicht gelungen.“
Wieso spricht das gegen public intellectuals aus den Reihen der STS-Forscher? Und was soll hier bei „Bloggern“ anders sein?
„Freilich muss der neue Intellektuelle, ähnlich wie die STS, eine Meta-Ebene erschaffen von der er auf die Welt blicken kann. Dabei wird er scharfer Beobachter und Kritiker zugleich.“
Welche public intellectuals haben das je geschafft? Ich würde bezweifeln, dass es überhaupt wünschenswert ist, das Bild des „freischwebenden Intellektuellen“ zu perpetuieren.
Teni Nürstof
Ich merke gerade in diesem Moment dass ich diese Seite deutlich öfter aufrufen müsste 🙂 – da komme ich echt auf geniale Einfälle