Am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle finden in regelmäßigen Abständen Konferenzen und Vorträge statt. Der erste Vortrag in diesem Jahr wurde von dem schwedischen Ethnologen Ulf Hannerz gehalten. Unter dem Titel Images of the World, Now and Next: global scenarios as texts and transnational cultural phenomena stellte er eine Reihe von Büchern (oder vielmehr eine Textgattung) vor, in denen (ethnologische) Themen scheinbar populistisch diskutiert werden. Hannerz versuchte zu zeigen, dass zumeist im englischsprachigen Raum immer wieder Werke in den „Buchläden der Flughafen“ liegen, die im politisch-rechten Spektrum eine fragliche Sicht auf die unterschiedlichsten Themen wie kulturelle Vielfalt (Huntington) oder die politische Rolle der USA (Joffe) haben. Vor allem aber, werden in diesen Texten globale Zukunftsszenarien geschaffen, was Hannerz dazu veranlasst diese Bücher als „geocultural“ Literatur zu bezeichnen.
Etwas überraschend zeigt er in seinem Vortrag, wie viele solcher Texte existieren. Er wiederholt einige Male, dass sich vor allem vor den Flughafenbuchläden in Acht genommen werden muss. Diese sind Herd für fundamentale, amerika-zentristische, rechtspopulistische Literatur die zumeist die Welt aus den Angeln heben will.
Am ende bleiben zwei Fragen. Die eine sucht nach den Auswirkungen dieser Literatur. Folgt man nämlich den Utopien und Dystopien in den Büchern, ist schnell der Ausnahmezustand hergestellt, in dem ungewollte Interventionen und politische Handlungen entstehen können. Hannerz gibt jedoch nur wenige Informationen inwieweit solche Ideen öffentlich Diskurse tatsächlich beeinflussen.
In der zweiten Frage versucht er nachzuvollziehen, warum genau diese Literatur auf den Ladentischen landet. Auch hier gibt Hannerz nur ein paar wenige Hinweise. Auf der einen Seite haben große Verlage (und ihr Marketing) die Möglichkeit diese Bücher zu verbreiten. Gleichzeitig findet sich der Leserkreis in der amerikanischen Elite, die vor allem die Nachfrage nach solcher Literatur ankurbelt.
In der Tat ist die Idee spannend. Es ist der Versuch nachzuvollziehen welche Bücher in hohen Auflagen verkauft werden und wie diese öffentliche Diskurse beeinflussen bzw. schaffen (nicht zuletzt wenn man auch weiß, dass die meisten ethnologischen Werke eine eher geringe Auflage haben). Schnell stellt sich heraus, dass dies zumeist Literatur ist, die mit „catchy phrases“ arbeitet und eine These auf wenige Punkte reduziert. Doch es scheint etwas weit hergeholt, dass diese Methodik auf einen bestimmten Bereich beschränkt sein soll. Findet man doch auch schnell Werke, die ähnliche Themen ansprechen, aber nicht unbedingt auf ihre politische Richtung (und ihr fundamentalistischen Weltzeitszenarien) reduziert werden können. Nicht zuletzt ist ein zusätzlicher Faktor von erfolgreichen Sachbüchern gezielt aktuelle Probleme aufzunehmen und etwas brachial anzuklagen. Vielleicht sollte dies als eine Übung verstanden werden, in der man diese Literatur auf Grund ihrer Klarheit (in Text und Argumentation) zum Vorbild nimmt um dann Antworten in der gleichen Art und Weise auf solche Reduktionen gibt. Denn bedauerlicherweise ist festzustellen, dass es in den letzten Jahren kein Ethnologe geschafft hat in den Bestsellerlisten (und demzufolge auch nicht in den Buchläden der Flughäfen) zu landen.
Der Vortrag von Ulf Hannerz hat mich dazu angeregt ab sofort regelmäßig Bücher vorzustellen, die ich für lesenswert halte. Auf der rechten Seite werden in unregelmäßigen Abständen Buchempfehlungen erscheinen, die anders als die von Hannerz vorgestellten Bücher, recht komplexe, anti-fundamentalistische, angenehme Literatur ist. Deshalb sollten diese es auch unbedingt schaffen öffentliche Diskurse zu beeinflussen oder sie sogar beginnen.
Tobias
Ein interessanter Beitrag-und definitiv ein Blog mit Potential! Ich habe gerade Janine Wedel’s neuestes Buch ‚Shadow Elite‘ bestellt, nachdem es bei der Huffington Post eine Rezension und zusaetzliche Beitraege dazu gab: http://www.huffingtonpost.com/arianna-huffington/the-first-huffpost-book-c_b_412999.html
Das am Ende die Leute, die die ‚Flughafenbuecher‘ schreiben, Professoren und Berater sind, kann sicherlich dazu fuehren, dass es eine sich selbst-erfuellende Prophezeihung gibt, wer denn wen und wie beeinflusst. Da ich mich mit Entwicklungszusammenarbeit und Friedensforschung anthropologisch auseinander setzte fallen mir dann Leute wie Jeffrey Sachs oder Bill Easterly ein, die auch sehr praesent sind-aber ihre Auswirkungen auf ‚tatsaechliche‘ Entwicklungspolitik wuerde ich nicht zu hoch einschaetzen. Warum aber Easterly’s ‚aidwatch‘ blog quasi ueber Nacht populaer geworden ist, kann man auch nicht so ganz nachvollziehen.
Ich haette auch ein wenig ironisch Hannerz gefragt, ob er glaubt, dass nur weil er viel auf Flughaefen rumhaengt, entschuldigung: Ethnographische multi-sited Forschung betreibt, dass tatsaechlich so ein wichtiger Indikator ist. Statt Bestseller-Listen wuerde mich zum Beispiel interessieren, wie ein Verlag wie transcript aus Bielefeld oder Berghahn Books aus Oxford seinen Einfluss sieht und vorgeht, anstatt ueber das pushen von Dambisa Moyo’s ‚Dead Aid‘ bei Oxford Press sich zu wundern…